Es gibt ihn noch, den typischen Frauenberuf. Sechs Mädchen sind zur Apotheke am Wasserschloss gekommen, um herauszufinden, ob Pharmaassistent/in der richtige Job für sie wäre. Ein bisschen Flair für Technik und Mathematik ist vonnöten, aber etwas anderes ist noch sehr viel wichtiger.
„Ich möchte eine Lehre machen, die irgendwie mit Medizin zu tun hat“, begründet Harshami ihre Anwesenheit. Sie hat zwar bereits als Praxisassistentin geschnuppert, der Beruf der Pharmaassistentin interessiert sie aber auch. Und so gehen sie und die anderen Mädchen in die Apotheke am Wasserschloss in Gebenstorf. Marija Tunaj, seit acht Jahren Pharmaassistentin, heisst die Gruppe herzlich willkommen und führt sie ohne viel Federlesens direkt ins Labor. Früher Herzstück jeder Apotheke, wird heute in den Laboren nicht mehr allzu viel selber gemacht. Wobei es da auf die Einstellung der umliegenden Ärzteschaft ankomme, erklärt Marija Tunaj, Laborkenntnisse seien nach wie vor wichtiger Bestandteil der Ausbildung und des Berufes. Anna, die noch nirgendwo geschnuppert, sich das hier aber vorstellen kann, fragt etwas schüchtern, ob auch die nicht ganz so brillanten Sekschülerinnen eine Chance auf eine Lehrstelle hätten. „Ja, durchaus“, erwidert Marija Turnaj, „das Wichtigste ist hier ein guter Umgang mit den Kunden. Daran muss man Freude haben, auf die Leute eingehen und ihnen zuhören können. Und es muss einfach passen, da sind die Noten nicht ganz so wichtig.“
Ein bisschen Verhältnis zu Mathematik
Marija Tunaj erklärt, dass jeder, der in den drei Lehrjahren seine Unterlagen ordentlich führe und in dieser Zeit gut aufpasse, kein Problem bei der Lehrabschlussprüfung haben würde. Irritierte Seitenblicke erntet sie allerdings, als sie sagt, dass Mathematik ein bedeutender Bestandteil der Ausbildung sei.
Sie kann aber die Mädchen beruhigen: „Ich bin in Mathe auch nicht der Hirsch gewesen und es hat trotzdem gereicht.“ Ein Seufzer der Erleichterung geht durch den Raum. Bei der Führung durch das Labor halten sich die mathematischen Anforderungen vorerst im überschaubaren Rahmen: Die Mädchen dürfen jede für sich Traubenzucker abwiegen. Auf dem Weg vom Labor zu dem Raum, in dem alle Medikamente gelagert werden, leuchten Harshamis Augen: „Ja, das wär schon was für mich, ich gehe auf jeden Fall schnuppern!“
Digitalisierter Irrgarten
Im Lager ist ein Roboter damit beschäftigt, die kleinen und grossen Schachteln möglichst platzsparend einzusortieren. Diesen Roboter, den Rowa, hat heute jede moderne Apotheke, alphabetisch sortierte Medikamente in Schubladen sind offenbar ein Auslaufmodell. Der Rowa saust hin und her, er allein weiss, wo er welche Schachtel versteckt hat. Ein Mensch würde, wenn er denn selber suchen müsste, wohl einige Tage hilflos bis verzweifelt in dem Raum herumirren, ohne das Gewünschte gefunden zu haben. Auch das Etikettieren ist computergesteuert. Marija Tunaj zeigt den Mädchen, wie sie ihren vorher abgewogenen Traubenzucker richtig anschreiben. Fehler beim Etikettieren dürfen keine passieren, gutes Deutsch ist hier also auch unabdingbar – enthalten die Etiketten doch im Normalfall wichtige Hinweise für die Patienten.
Wer schnuppert?
Noch Fragen? Anna: „Warum ist es so leise in der Apotheke?“ Nun, es läuft keine Musik – und Kunden und auch Pharmaassistentinnen sprechen gedämpft miteinander. Das sei wohl dem Umstand geschuldet, dass niemand gerne seine Gebrechen vor allen Leuten ausbreite, meint Marija Tunaj. Für diejenigen, die absolute Diskretion wünschen, gibt es sogar einen Extraraum, in dem sie alleine beraten werden. An dieser Stelle betont Marija Tunaj wieder, wie wichtig Verschwiegenheit und ein guter und sensibler Umgang mit den Menschen, die da kommen, sind. Der tägliche Kundenkontakt ist für sie einer der Gründe, warum Pharmaassistentin ihr absoluter Traumberuf ist.
Von den sechs Mädchen gehen vier ganz sicher schnuppern, eines überlegt es sich. Und eines sagt ganz klar: „Nein, das ist nichts für mich.“ Der Berufserkundungstag hat sich also für alle gelohnt.